Bernstein Award 2024 an Anastasia Kobekina

Der seit 2002 beim SHMF vergebene Leonard Bernstein Award bedeutete für viele Preisträger wie Lang Lang, Martin Grubinger, Jan Lisiecki oder Cameron Carpenter den Beginn einer steilen Karriere. In diesem Jahr erhält die in Russland geborene Cellistin Anastasia Kobekina den Preis.

Bernstein Award Preisträgerin Anastasia Kobekina. Foto Julia Altukhova

Ihnen wird am 12. Juli im Rahmen des Schleswig-Holstein Musikfestivals (SHMF) der Bernstein Award verliehen. Sie haben bereits zahlreiche Wettbewerbe und Preise gewonnen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Das ist schon etwas ganz Besonderes, weil Leonard Bernstein eine so unglaublich vielseitige und faszinierend Persönlichkeit war; nicht nur ein fantastischer Dirigent, sondern auch Komponist und Musikvermittler. Diesen Preis zu erhalten, der so eng mit seinem Namen verbunden ist, ist eine große Ehre und Inspiration für mich.

Frühere Preistragende wie Lang Lang oder Liza Batiashvili gelten heute als Weltstars. Haben Sie ähnlich ambitionierte Ziele?

Covid hat uns beigebracht, im Moment zu leben und nicht zu weit im Voraus zu planen. Ich versuche alles zu machen, was mich musikalisch fasziniert und meine Kreativität herausfordert. Wie zum Beispiel das Venedig-Projekt, auf dem ich Stücke zusammengestellt habe, die man nicht so häufig im Konzert hört. Solche Projekte liegen mir am Herzen: ich mache Musik, meine Agentur kümmert sich um die Karriere.

Im Booklet zum Projekt „Venice“ haben sie geschrieben, Venedig sei die einzige Stadt, die sie wirklich im Innersten bewegt. Woher kommt Ihre Liebe zu Venedig?

Ich bin viel unterwegs und von Venedig war ich vom ersten Augenblick an einfach fasziniert. Es ist nicht nur die Schönheit. Venedig hat so viele Charaktere. Die Stadt hat eine Anziehungskraft, die ich nicht erklären kann. Wenn ich dort unterwegs bin, erlebe ich ein Gefühl von Kreativität. Ich wäre daher gern viel öfter dort; durch mein Album fühle ich mich wenigstens musikalisch der Stadt immer nah.

Sie schreiben auch, dass die Aufnahme eine der intensivsten musikalischen Erfahrungen für Sie gewesen ist. Was ist da passiert?

CD-Aufnahmen sind ein ganz besonderer Prozess. Zunächst hat man kein Publikum und nur wenige Stunden Zeit, um Stücke aufzunehmen. Bei einer CD-Aufnahme spielt man ein Stück nicht nur einmal von Anfang bis Ende, sondern viele Male. Das ist sehr intensiv, weil man nur in diesem Moment die Möglichkeit hat, seine Gefühle so klar in der Musik auszudrücken. Ich stelle mir dabei immer mein Publikum vor, dem ich ins Ohr flüstere.

Was liegt Ihnen näher: Studioaufnahme oder Live-Konzert?

Man kann das nicht vergleichen. Bei beidem gibt es Dinge, die mir gefallen und die ich nicht mag. Das Venedig, das man auf dem Album hört, ist ein anderes als das im Konzert, denn jeder Auftritt ist ein einmaliges Erlebnis, das vom Publikum und den Mitmusizierenden mitgestaltet wird. Jeder Zuhörer wird eine individuelle Erfahrung machen. Auf der anderen Seite kann man an einem Album so lange feilen, bis ein perfektes Ergebnis entsteht.

Vielen Musikern hilft es, ein bestimmtes Ritual zu haben, bevor sie auf die Bühne gehen. Gibt es bei Ihnen etwas, das Ihnen wichtig ist?

Tief ein- und ausatmen, mich konzentrieren und meine Energie spüren. Diese Energie kann ich im Lauf des Konzerts dann mit dem Publikum teilen.

Sie stammen aus einem musikalischen Elternhaus. Wie sind Sie zum Cello gekommen?

Meine Eltern spielen beide Klavier, daher habe auch ich mit Klavier angefangen. Meine Mutter unterrichtet an einer Musikschule und musste mich eines Tages mit zur Arbeit nehmen, weil es keinen Babysitter gab. Da war ich vier Jahre alt. Ich war ganz traurig, weil jedes Kind ein eigenes Instrument hatte und habe die Musiklehrer dann so lange genervt, bis sich die Cello-Lehrerin erbarmt hat und mir ihr Instrument gezeigt hat. Als meine Mutter mich dann gefunden hat, war ich so mit dem Instrument beschäftigt, dass sie dachte: das trifft sich gut. Ein dritter Pianist zuhause, ist vielleicht ein bisschen viel. Das ist jetzt 26 Jahre her.

Heute gehören Sie zu den Nachwuchsstars der klassischen Musik. Die Kritiker sind begeistert von ihrem Spiel, da ist die Rede von „großer Reife“ (FAZ) und „hinreißender Eleganz“ (Tagesspiegel). Wie gehen Sie mit Lob und Kritik um?

Jedes Konzert ist für mich eine Prüfung. Ich stelle mich der Kritik anderer, aber bin selbst meine größte Kritikerin. Ich weiß, dass ich nie fertig sein werde mit meiner Entwicklung und Ausbildung. Ich möchte mich nie auf dem Ausruhen, was heute vielleicht gut war. Morgen muss ich neu dafür arbeiten. Das ist anders als bei anderen Berufen und daher auch oft etwas ermüdend.

Wenn man sich Ihren Konzertkalender anschaut, dann gönnen Sie sich in diesem Sommer kaum eine Auszeit. Nach dem SHMF geht es direkt weiter nach Frankreich, Österreich und in die Schweiz. Welchen Ausgleich haben Sie, um nicht im Konzertbetrieb aufgerieben zu werden?

Ich unternehme viel mit Freunden und höre auch andere Musik. Außerdem habe ich Hobbys wie Fotografieren. Ich begeistere mich aber auch gern für Neues. Gerade habe ich Stricken für mich entdeckt. Das ist super auf Reisen, weil man überall stricken kann. So kann ich mich gut entspannen.

Nun begeistern Sie erstmal das Publikum beim Schleswig-Holstein Musikfestival. Vielen Dank für das Gespräch und eine schöne Preisverleihung.


Info:
12.07.2024, 19.30 Uhr
Musik- und Kongresshalle Lübeck

Preisträgerkonzert mit Werken von Antonio Vivaldi, Barbara Strozzi, Niccolò Paganini und Caroline Shaw u. a.

Im Rahmen des Konzerts erhält Anastasia Kobekina den von der Sparkassen-Finanzgruppe gestifteten Leonard Bernstein Award.