Asya Fateyeva: Das Saxophon zum Singen bringen

Asya Fateyeva gehört schon aufgrund ihres Instruments, dem Saxophon, zu den spannendsten Klassik-Solistinnen Deutschlands. Auch ihre immer wieder überraschenden Programme zeichnen sie aus. Die faszinierende musikalische Vielfalt der Saxophonistin spiegelt sich in Konzerten mit vollkommen unterschiedlichen Programmen und Ensembles wider: Ungewöhnliche Kombinationen zu kreieren und künstlerisch zu erforschen, sich über Genregrenzen hinweg immer wieder neu zu erfinden, darin liegt ein Fokus ihres Schaffens. Als Porträtkünstlerin des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) hat sie neun Programme kreiert; mit zweien kommt sie in den Meldorfer Dom.

SHMF Portraitkünstlerin Asya Fateyeva. Foto Jewgeni Roppel


Am Wochenende ist das SHMF eröffnet worden. Nun wird es auch für Sie als Porträtkünstlerin ernst. Wie fühlt es sich an, die diesjährige Porträtkünstlerin zu sein?

Es ist eine große Ehre und große Freude. Langsam wird es aber auch Zeit, dass ich die vielen Projekte, die ich im Kopf hatte, endlich in die Praxis umsetzen kann. Das ist sehr aufregend.

Neun unterschiedliche Programme stehen in den nächsten sechs Wochen in Ihrem Kalender. Woher nehmen Sie die Ideen für die Projekte?

Ich hatte noch viel mehr Ideen! Das wäre kein Problem. Auf jeden Fall wird es sehr bunt und intensiv.

Sie kommen gleich mit zwei Projekten in den Meldorfer Dom…

Passend zum Venedig-Schwerpunkt des Festivals spiele ich am 17. Juli mit Avi Avital und dem Venice Baroque Orchester Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Dabei steht Avi im Mittelpunkt des Konzerts und wird das Stück auf seiner Mandoline in der unveränderten Fassung interpretieren. Ich würze die Aufführung mit vier Reflektionen zeitgenössischer Komponisten, die mit dem Original in einen kontrastreichen Dialog treten. Ich spiele auf dem Alt-, Sopran-, Bariton- und Tenorsaxophon und freue mich, hier sehr persönlich werden zu können und zu zeigen, wie diese großartige Barockmusik heute wahrgenommen werden kann.

Am Ende meines Porträts beim SHMF wird es am 31. August harmonisch. Mit dem Fagott-Virtuosen Sergio Azzolini und seinem Ensemble „L’Onda Armonica“ beschäftige ich mich mit dem Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des italienischen Stils und seiner Verbreitung in Europa im Zeitalter des Barock. Auf dem Programm stehen deshalb klangprächtige Konzerte von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi oder Alessandro Marcello. Im Sinne des Barocks werden wir unsere Instrumente zum Singen bringen und – anders als beim ersten Konzert in Meldorf – wird mein Sopran-Saxophon die Rolle des Melodieinstruments einnehmen.

Wie wählen Sie die Werke für Bearbeitungen aus?

Inzwischen mache ich das ganz nach Lust und Laune, je nachdem in welche Epoche ich gerne eintauchen oder welchen Komponisten ich kennenlernen möchte. Es ist wirklich ein großes Glück, das ich das alles musikalisch umsetzen darf. Selbst romantische Komponisten wie Schumann und Brahms passen bestens zum Instrument. Diese Erfahrung aktiv machen zu dürfen, ist einfach ein Geschenk.

Adolphe Sax hat das Instrument 1840 inmitten der Romantik erfunden. Woran liegt es, dass doch vergleichsweise wenig Komponisten dafür geschrieben haben?

Es ist wirklich erstaunlich wie früh das Saxophon eigentlich schon erfunden wurde. Adolphe Sax war sogar älter als Johannes Brahms. Ich glaube, es liegt daran, dass man erst einmal eine Tradition etablieren muss bis eine gewisse Schule entsteht. Klassik und Romantik waren ja schon da, als plötzlich ein neues Instrument erfunden wurde. Bis das Instrument aus Frankreich langsam seinen Weg nach Deutschland gefunden hat, war es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts und da kam das Saxophon im Rahmen der entarteten Musik in Verruf, weil es klischeehaft mit Tanzmusik, schwarzer Musik und Jazz gleichgesetzt wurde. Bis heute wird das Saxophon ja eher in Zusammenhang mit Jazz gesehen.

Nervt Sie das?
Ein bisschen. Ich wundere mich immer, dass die Menschen das Instrument so einseitig wahrnehmen. Wenn sich ein Pianist oder Trompeter vorstellt, wird ja auch genauer nachgefragt, in welchem Genre er zuhause ist. Als Heranwachsende war ich schon ein wenig verletzt, weil ich belächelt wurde, dass ich mit dem Saxophon Klassik spielte. Da habe ich trotzig reagiert. Heute verschwimmen die Grenzen immer öfter. Ich würde mich freuen, wenn das Publikum die Musik mit offenen Ohren wahrnimmt und sich dann erst ein Urteil bildet, statt von vornherein das Instrument in eine musikalische Ecke zu drängen.

Sie sind neben Ihrer Solistentätigkeit an der Musikhochschule Lübeck und Hamburg als Saxophon-Professorin tätig. Was geben Sie Ihren Studenten mit?

Mein Anliegen ist es, Studierenden Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit sie nicht die Verletzungen erleben, die ich mit dem Instrument erfahren habe. Außerdem ermutige ich sie, schon sehr früh mit eigenen Projekten und Ideen in die musikalische Welt zu starten und nicht darauf zu warten, eine der rar gesäten Orchesterstellen zu bekommen. Ich freue mich sehr über die große Neugier dieser Generation und unterstütze die Studierenden dabei, dieses Feuer als Musiker ein Leben lang beizubehalten.

Sie wohnen vor den Toren Hamburgs und haben es daher nicht allzu weit zu den Auftrittsorten. Haben Sie dadurch mehr Zeit, um die Orte und Menschen in Schleswig-Holstein noch genauer kennenzulernen?

So hatte ich mir das eigentlich am Anfang gedacht. Aber ich glaube, ich muss noch mal in Ruhe wiederkommen, wenn alle Proben, Konzerte, Interviews und so weiter hinter mir liegen. Ich freue mich aber, diese vielen einmaligen Konzertorte kennenzulernen. Und werde dann sicher noch einmal mit mehr Zeit zurückkommen.

Infos zu den Konzerten mit Asya Fateyeva: www.shmf.de/asya